Presse-Information

Landesärztekammer Thüringen wendet sich erneut gegen die Kommerzialisierung des Arztberufes – Beschluss der Kammerversammlung der Landesärztekammer zur Unterstützung des Klinik Codex „Medizin vor Ökonomie“

Jena, 8. März 2018/5

Bereits mehrfach hat sich die Kammerversammlung der Landesärztekammer Thüringen, das Parlament der Thüringer Ärzteschaft, mit der zunehmenden Kommerzialisierung in der Medizin auseinandergesetzt, u.a. auch 2015 mit einer Resolution, in welcher der zunehmende finanzielle Druck auf alle Ärztinnen und Ärzte, die Einflussnahme auf die ärztliche Berufsausübung und damit die Störung eines ausgewogenen Arzt-Patienten-Verhältnisses durch das Diktat der Gesundheitsökonomie und das Postulat der Gewinnmaximierung moniert worden ist.

Analog hat auch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin im Herbst 2017 ein Initiative Klinik Codex „Medizin vor Ökonomie“ ins Leben gerufen, die vom Landesverband Thüringen des Berufsverbandes Deutscher Internisten und der Gesellschaft für Innere Medizin Thüringen unterstützt wird. Auch die Kammerversammlung der Landesärztekammer Thüringen hat sich in ihrer Frühjahrssitzung mit einem entsprechenden Beschluss zum Kodex „Medizin vor Ökonomie“ im Sinne aller Ärztinnen und Ärzte bekannt, mit dem die Priorität der patientenbezogenen Behandlungsziele eingefordert und der Druck auf Kolleginnen und Kollegen, die Patientenversorgung einer betriebswirtschaftlichen Nutzenoptimierung unterzuordnen, angeprangert wird. „Ein Beschluss, den alle Kammerparlamentarier mitgetragen haben“, so die Präsidentin der Landesärztekammer Dr. Ellen Lundershausen. „Diese breite Zustimmung zeigt umso mehr die brennende Aktualität des Themas.“

Klinik Codex „Medizin vor Ökonomie“
(eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin)

Die Ärzteschaft gerät in der Patientenversorgung zunehmend unter Druck, ihr Handeln einer betriebswirtschaftlichen Nutzenoptimierung des Krankenhauses unterzuordnen. Diese Entwicklung macht es notwendig, dem Ökonomisierungsprozess eine auf ärztlicher Ethik und Werten beruhende Haltung im Arbeitsalltag entgegenzustellen. 

Der Klinik Codex soll Ärztinnen und Ärzten dabei helfen, die Auswirkungen von Ökonomisierung kritisch in ihrem persönlichen Arbeitsgebiet zu reflektieren und im Arbeitsalltag ihre ärztlichen Entscheidungen für die sich ihnen anvertrauenden Patienten zu treffen.

Als Ärzteschaft bekennen wir uns dazu, mit unseren verfügbaren Ressourcen möglichst effizient und wirtschaftlich angemessen umzugehen. Gleichwohl stellen wir aber das Patientenwohl immer in den Mittelpunkt unseres Handelns. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) nimmt mit der Formulierung dieses Klinik Codex ihre fachgesellschaftliche, ethische und soziale Verpflichtung wahr, ihren Lösungsbeitrag für eine am erkrankten Menschen orientierte Gesundheitsversorgung einzubringen.

Ziel ist es, die besondere Verpflichtung als Ärzteschaft im Einklang mit ihren ethischen Werten erfüllen zu können und dem Vertrauen der Patienten gerecht zu werden. Auch soll Ärztinnen und Ärzten die Sicherheit vermittelt werden, dass sie mit ihrer sich an diesem Klinik Codex orientierenden Haltung nicht alleine stehen.

Unser Versprechen als Ärztinnen und Ärzte

Ärztliche Pflicht ist es, die gesundheitliche Versorgung erkrankter Menschen ohne Ansehen ihres Alters, Konfession, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung oder sozialer Stellung durchzuführen. Es ist uns bewusst, dass unsere ärztlichen Entscheidungen durch nicht-medizinische Faktoren, insbesondere ökonomische Überlegungen und kommerzielle Anreize beeinflusst werden können.

Als verantwortlich handelnde Ärztinnen und Ärzte streben wir an, solche Situationen zu erkennen, und unsere ärztlichen Entscheidungen stets zuerst am Wohl der uns anvertrauten Patienten auszurichten:

  • Als Ärztinnen und Ärzte müssen wir den berechtigten fachlichen und ethischen Erwartungen der erkrankten Menschen, ihrer Angehörigen und der Gesellschaft an uns gerecht werden.
  • Wir werden allen Patienten eine Versorgung unter Einsatz aller unserer Fachkompetenzen und aller ärztlichen Erfahrungen ermöglichen.
  • Wissend, dass unsere medizinischen Entscheidungen, die auf Basis einer qualitätsgesicherten Medizin getroffen werden, große Auswirkungen auf die Heilung und Gesundheit der Patienten, aber auch betriebswirtschaftliche Auswirkungen haben, erklären wir hiermit, dass wir eine angemessene und wirksame Versorgung der Patienten stets unter dem uneingeschränkten Vorrang der medizinischen Argumente gegenüber ökonomischen Überlegungen planen und durchführen werden.
  • Wir treffen keine ärztlichen Entscheidungen und werden keine medizinischen Maßnahmen durchführen und solche Leistungen weglassen, welche aufgrund wirtschaftlicher Zielvorgaben und Überlegungen das Patientenwohl verletzen und dem Patienten Schaden zufügen könnten.
  • Wir werden den Menschen, die zu uns kommen, mit zugewandter Fürsorge begegnen und beistehen, mit ihren gesundheitlichen Ängsten umzugehen, wollen ihr Vertrauen gewinnen und werden ihnen versprechen, bei ihrer Behandlung keine medizinischen Leistungen durchzuführen, welche fachlich unsinnig sind oder aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus stattfinden sollen.
  • Wir lehnen alle Leistungs-, Finanz-, Ressourcen- und Verhaltensvorgaben ab, welche für uns offensichtlich erkennbar zu einer Einschränkung unseres ärztlichen Handelns und unseres ärztlich-ethischen Selbstverständnisses führen und das Patientenwohl gefährden können.
  • Wir werden die von uns getroffenen Versorgungsentscheidungen bei Bedarf den zuständigen kaufmännischen Leitungsgremien, unter Verwendung fachlich-medizinischer, patientenorientierter und ethischer Argumente erklären.
  • Wir ermutigen junge Ärztinnen und Ärzte, sich mit den durch die kaufmännischen Geschäftsleitungen vorgegebenen wirtschaftlichen Vorgaben kritisch auseinanderzusetzen und achtsam zu sein bei allen Versuchen der Einschränkung des Patientenwohls aufgrund nicht-medizinischer Aspekte.


Wir werden unsere ärztliche Heilkunst ausüben, ohne uns von wirtschaftlichem Druck, finanziellen Anreizsystemen oder ökonomischen Drohungen dazu bewegen zu lassen, uns von unserer Berufsethik und den Geboten der Menschlichkeit abzuwenden.